Hans Carls

1886 - 1952


* 17. Dezember 1886 in Metz
† 3. Februar 1952 in München

Hans Carls, katholischer Priester und Direktor der Caritas Wuppertal, nutzte sein Talent und Temperament, um die Predigt als Streitkraft gegen den Nationalsozialismus einzusetzen. Dafür wurde er in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Selbst von dort setzte er seinen Widerstand fort. Ihr eigenes Leben riskierend, unterstützte ihn dabei seine Caritas-Mitarbeiterin Maria Husemann. Die zahlreichen, von Hans Carls initiierten sozialen Einrichtungen, sind Wegweiser und Vorbild umfassender Caritas-Arbeit.

Hans Carls nach seiner Haftzeit.


1915 Hans Carls erhält im Kölner Dom die Priesterweihe. Im Ersten Weltkrieg arbeitet er als Divisions- und Korpspfarrer.

1918 Berufung als Kaplan in die Elberfelder Gemeinde St. Laurentius.

Ende 1918 stellte sich der 32jährige Hans Carls bei dem Dechanten Neumann mit den Worten vor: "Korpspfarrer Carls meldet sich als Kaplan!" Bei dem Dechanten fand dies wenig Billigung. Er schickte ihn weg mit den Worten: "Was Korpspfarrer! Ich habe einen Kaplan angefordert!"
Foto: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen

1924 Kaplan Carls übernimmt das Caritas-Büro. Als Leiter der örtlichen Caritas gründet er zahlreiche Hilfseinrichtungen, u.a. einen katholischen Männerfürsorgeverein, ein Lehrlingsheim, Arbeitsvermittlung, ein Heim für Obdachlose, Trinker-, Gefangenen-, Auswanderfürsorge, Gerichtshilfe, Eheberatung. Er führt Lebensmittelgutscheine ein, so genannte Caritas-Gutscheine. Sein Engagement ist konfessionsübergreifend. Bald gilt sein Name über Wuppertal hinaus als Inbegriff vorbildlicher und moderner Caritas-Arbeit.

Der sogenannte Holzplatz der Caritas 1925, unter Hans Carls Leitung. Der Platz war neben der St. Laurentius-Kirche in Elberfeld gelegen. Hier konnten sich Arbeitslose, Bettler, Behinderte und Wanderer mit Holzzerkleinern 40 Pfennig pro Stunde verdienen.
Foto: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen
Ab 1925 befand sich das Caritashaus in Elberfeld in der ehem. Königstr. 27, heute Friedrich-Ebert-Str. 27
Foto: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen
Amtszimmer des Direktors
Foto: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen

1933 Mit der NS-Machtergreifung werden Carls alle öffentlichen Mittel für seine Einrichtungen gesperrt. Carls beginnt, seine besondere Redegabe gezielt als Instrument des Widerstands einzusetzen. Er initiiert regelrechte Predigt-Tourneen, um Menschen Halt im festen Glauben zu geben und Geld für sein Caritas-Werk zu sammeln. In den folgenden Jahren hält er rund 3000 NS-kritische Predigten.

1941 Er bekommt Redeverbot deutschlandweit und darf nur noch in Wuppertal predigen. Carls steht unter Beobachtung der Gestapo. Das hält ihn nicht davon ab, in einer Predigt ein „Euthanasie-Gesetz“ zu verurteilen. Dies, sowie seine Fürsorge für jüdische Mitbürger und Vervielfältigung von Predigten des Bischofs von Münster, der sich ebenfalls öffentlich verwehrt gegen die Tötung so genannten „lebensunwerten Lebens“ von behinderten und kranken Menschen, sind als Gründe seiner Inhaftierung aufgeführt. Er wird im November verhaftet und in das Gefängnis der Wuppertaler Gestapo gebracht.

1942 Seine Deportation in das Konzentrationslager Dachau erfolgt im März. Mit Hilfe von Maria Husemann schmuggelt er Berichte aus dem KZ. Als sein Handeln auffliegt, wird er in das Gefängnis des KZ-Lagers eingeliefert.

1945 Carls erlebt seine Befreiung durch die Amerikaner. Rückkehr nach Wuppertal. Carls hilft beim Wiederaufbau der Stadt, Kirchen und Caritas. Zu den neuen Aufgaben, die der Caritas-Direktor angeht, zählen Suchdienst, Heimkehrer-, Flüchtlingsseelsorge, Kriegsversehrtenbetreuung, Ostzonenhilfe. Für drei Jahre ist Carls Mitglied des Wuppertaler Stadtparlaments. Auch seine bundesweiten Predigten nimmt Carls wieder auf.

1951 Gesundheitlich gezeichnet von den schweren Haftbedingungen, verabschiedet sich Carls in den Ruhestand.

1952 Hans Carls stirbt im Alter von 66 Jahren in einem Münchener Krankenhaus.

Hans Carls (rechts) im Kreis von Caritasdirektoren aus der Erzdiözese Köln, u.a. aus Remscheid, Düsseldorf, Köln.
Foto: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen

Anschaulich und rhetorisch gewandt, fesselt Carls seine Zuhörer. Anhand biblischer und kirchengeschichtlicher Themen stellt er mit schneidender Schärfe die Irrlehren des Nationalsozialismus bloß. Er startet mit Predigt-Wochen in Elberfeld und tourt mit seinen Volksmissionen durch deutsche Großstädte. Carls konzipiert diese kirchlichen Veranstaltungen als einwöchiges Programm: Er beginnt mit einer Einführungspredigt am Sonntagmorgen. 30 bis 35mal steht Carls in der folgenden Woche temperamentvoll und streitbar in der Kanzel bis er diese Mission am nächsten Sonntag mit einer Andacht und abschließenden Predigt beendet. Für sein christliches und tatkräftig politisches Engagement als Prediger hält Caritas-Mitarbeiterin Maria Husemann ihm den Rücken frei hinsichtlich seiner Anforderungen als Caritas-Leiter in Wuppertal. In seiner Abwesenheit agiert und entscheidet Maria Husemann an seiner statt.

Hans Carls vor der Haft.

Hans Carls:
„In den ersten Vorträgen entwickelte ich die Problematik der Ehe und baute die Lehre der Kirche auf den Grundsätzen der Natur auf, denn die Zusammenhänge des Naturgesetzes waren den meisten nicht mehr bekannt. Daher die Tragik so manchen Ehelebens. Ich musste natürlich „modernen“ Anschauungen widersprechen und lehnte die Irrlehren des Nationalsozialismus klar und eindeutig ab. Dies brachte mir dann stets eine Vernehmung bei der Heimatgestapo ein, die von der Gestapo der Stadt, in der ich gesprochen hatte, benachrichtigt worden war. Einmal sagte mir der vernehmende Beamte: ,Es kommt nicht darauf an, was Sie gesagt haben, sondern nur, wie der Zuhörer es aufgefasst hat.‘ Als ich von den Männerpredigten, die ich in Paderborn gehalten hatte, heimkam, fand eine Haussuchung bei mir statt. Man beschlagnahmte einige Handschriften meiner Kanzelvorträge. Dann wurde ich zur Gestapo bestellt, dort wurde mir eröffnet, ich hätte von jetzt ab (Januar 1941) Redeverbot für ganz Deutschland. Nur in Wuppertal durfte ich noch predigen. Ich erklärte, dass ich dies meiner kirchlichen Behörde mitteilen und ihren Entscheid abwarten würde. Diese war der Meinung, ich sollte meine Vortragsreisen einstellen und meine Predigttätigkeit auf Wuppertal beschränken. Es gäbe Seelsorgearbeit genug.“

Unerschrocken setzt er seine Arbeit in Wuppertal fort. Obwohl er um seine Observierung weiß, spricht er in einer sehr gut besuchten Versammlung gegen ein geplantes Gesetz, das erlauben soll, Menschen mit unheilbaren Erkrankungen auf ihr Verlangen zu töten.

„Eine Medizin, die tötet, gibt sich selbst auf – eine Justiz, die ein Gesetz von der Meinung des Volkes abhängig macht, ist der Willkür der Masse ausgeliefert – eine Liebe, die tötet, ist keine wahre Liebe, denn ihr fehlt die Kraft des Mitleidens – die katholische Moral bekennt sich zu dem Grundsatz: Mord bleibt Mord, aus welchen Gründen auch immer er geschieht.“

Ins Konzentrationslager Dachau verschleppt, setzt Carls auch von dort seine Widerstandsarbeit fort. Als seine unerlaubten Schreiben aus dem KZ Dachau gemeldet werden, wird Carls in das Gefängnis des Lagers verlegt und zum Tode verurteilt. Maria Husemann wird in Wuppertal verhaftet. Auszug des Berichts von Hans Carls nach 42 Tagen in der Todeszelle:

„Nach meiner sechsten Vernehmung, als man mir keine Fragen mehr stellte und man mich entlassen wollte, erklärte ich den Herren noch folgendes: Ich stehe Ihnen nun zur Verfügung. Sie können mich erschießen oder hängen lassen. Eins werden Sie nicht erleben, dass ich winsele oder um Gnade bitte oder heule wie ein altes Weib. Ich will Gerechtigkeit, und zwar, dass Sie mich sofort aus diesem Lager entlassen.“ Daraufhin trat ein tiefes Schweigen ein. Nach einiger Zeit sagte mir der Obersturmbannführer: „Sie können gehen.“ „Wohin? Ins Gefängnis oder ins Lager?“ „Ins Lager.“ Ich war so erstaunt, dass ich kein Wort mehr sagen konnte und ging.“

Caritas würdigt Hans Carls Engagement
Foto: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen
Hans Carls im Kreis von Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Engagierten.
Fotos: Archiv des Caritasverbands Wuppertal/Solingen

Hans Carls hat dem Gebet Vater-unser in der schweren Zeit im KZ Dachau seine persönliche Bedeutung gegeben:

Vater.
Der Vater, der den Schutz gewährt, der auf unsere Qual und auf die Angst ums Leben schaut, dem wir aber das Leben in seine Hände geben.

Unser.
Wir und die anderen, die du auch siehst. Unsere Verfolger, die uns hassen und quälen und uns töten wollen. Verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht mehr, was sie tun.

Der du bist im Himmel.
Trotz Todesgefahr und Seelengefahr, sei stiller Friede in uns und in unseren Herzen.

Geheiligt werde dein Name.
Täglich wird dein Name verunglimpft. Wir dulden, doch tief in unseren Seelen ist dein heiliger Name geprägt.

Zu uns komme dein Reich.
Umgeben sind wir von Lüge, Hinterlist, teuflischen Qualen und Hass bei Tag und Nacht. Lasse dein Reich, das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens in uns sein und lasse uns in Geduld alles ertragen.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
„Warum geschieht dies alles? Wodurch habe ich dieses Schicksal verdient?“, klagen viele. Doch so wollen wir nicht sprechen. Denn wir wissen: Alles Geschehen hat einen Sinn.

Unser tägliches Brot gib uns heute.
Nie ist eine Bitte so inbrünstig gesprochen worden wie hier im Lager. Trockenes Brot und Wassersuppen sind die Nahrung. Der Hunger zehrt an den Lebenskräften, und viele sind gestorben, verhungert. Vater, o lasse uns nicht verhungern. Jedes Krümchen Brot ist uns heilig. Wir wollen für unser späteres Leben lernen, bescheiden zu sein in unseren Ansprüchen. Wir wollen stets an unsere armen Mitmenschen denken, die um ihr tägliches Brot kämpfen müssen. Was wir bisher nie gekannt, hier lernen wir ihn kennen: den Hunger. Wir lernen uns begnügen mit einem kärglichen Teil unserer sonstigen Nahrung. Aber noch eines lehrtest du uns verstehen. Wie schwer ist es doch, mit hungerndem Magen zu leben, religiös zu denken und unter übernatürlichen Motiven das Leben zu meistern. Wir hatten uns früher gewundert, dass so manche Familie keinen Weg zum Gotteshaus fand. Und ihr tägliches Brot? Und der tägliche Lebensraum? Sie fehlten und machten die armen Menschen müde. Trostlose Interessenlosigkeit kam über sie. Kein Samenkorn religiösen Gedankens konnte hier aufblühen. Deshalb Herr Gott, ich danke dir, dass du auch mir einmal zeigtest, was Hunger ist und bedeutet für ein Priesterleben.

Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Wir büßen für unsere Sünden und wollen nicht mehr hart und rücksichtslos sein. Doch wollen wir Verständnis für unsere Mitmenschen haben und auch denen verzeihen, die uns schlagen, quälen und beschimpfen. Denn du allein sollst über sie richten.

Und führe uns nicht in Versuchung.
Die Versuchung hier im Lager ist groß an allem zu zweifeln, allen Glauben, alle Hoffnung und Liebe abzulegen. Einzelne sind ihm erlegen, wurden kalt, einsam und verbittert. Einige haben sogar ihrem Priestertum abgeschworen und sind dadurch in die Freiheit gekommen.

Sondern erlöse uns von dem Übel.
Es ist die Qual der Haft. Das Übel. Erlöse uns von dieser Not und gib uns die Freiheit wieder. Erlöse uns von dem Terror, von unseren Peinigern! Erlöse unser armes deutsches Volk von dem Wahn des Nationalsozialismus.

Amen.

Momente weitergeben: Das Gedenken an den Priester und Caritas-Direktor Hans Carls entstand auf Initiative des Caritasverbands Wuppertal / Solingen e.V. Der heutige Caritasverband Wuppertal / Solingen hat in seinem Stammhaus in der Kolpingstraße 14 einen Konferenzraum „Hans-Carls-Saal“ benannt.

Originalzitate von Hans Carls sind entnommen aus seiner Publikation:
Dachau, Erinnerungen eines katholischen Geistlichen aus der Zeit seiner Gefangenschaft 1941–1945. Köln, J. P. Bachem,1946. Das Buch ist vergriffen.

Literatur:
Heinz Wolff: „Hans Carls“. In: Wuppertaler Biographien 7. Folge aus Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde des Wuppertals. Band 15. Born-Verlag Wuppertal 1967, S. 17–26